Die sakrale, mystische Atmosphäre dieses Museums nimmt einen sofort gefangen. Acht Meter unter der Erde befinden sich 14 Räume und Säle – moderne Architektur mit altägyptischen Anklängen. Ein perfektes Umfeld für rund 2000 Exponate. Um die Objekte im Museum für ägyptische Kunst (kurz: SMÄK) möglichst ablenkungsfrei aber auch gut geschützt zu präsentieren, wurden modernste Technologien genutzt. Diese sollten aber kaum in Erscheinung treten.
Brüll und Gruber setzte diese Vorgaben in über 60 anspruchsvollen Museumsvitrinen für das Staatliche Museum Ägyptischer Kunst um. Davon 21 Wandeinbauvitrinen mit 3 Meter Höhe und bis zu 20 Meter lang. Diese Museumsvitrinen erfüllen strengste Standards an Sicherheits- und Klimatechnik.
Ebenso umfasste der Großauftrag große Stahlplatten, als Hintergund für Exponate sowie stählerne Sockelplatten für Betonsockel zur Präsentation von freistehender Ausstellungsstücke.
Emissionsfreie Museumsvitrinen
Um die teils 5000 Jahre alten Objekte bestmöglich vor Umwelt- und Temperatureinflüssen zu schützen, sind alle Materialien, die im Vitrineninneren eingesetzt werden, mit einem Oddy–Test geprüft und bestätigt worden. Beim Design der Vitrinen lag der Fokus auf einer möglichst unauffälligen Konstruktion sowie eine gut handhabbaren Reinigung und Neubestückung. Diese wird über Dreh- und Schiebetürelemente ermöglicht.
Klimatechnik im Vitrinenbau
Jahrtausend alte Textilien blieben in Ägypten nur auf Grund des trockenen Klimas gut erhalten. Die Vitrinen im Museum für Ägyptische Kunst erzeugen das optimale Klima, um die wertvollen Textilien optimal zu erhalten. Klimatechnisch war gefordert, dass die Abluft und Umluft der Wandvitrinen kontrollierbar ist. Um für Textilien und Bronzen eine stabile Luftfeuchtigkeit von ca. 35 % zu gewährleisten, wurden entsprechende Prosorb-Kassetten eingesetzt. Untergebracht in einer dafür eigens konstruierten Klimakammer, unsichtbar im Seitenbereich der Vitrinen, können sie vorgeregelt als auch nachgeregelt werden. Ein Wärmeabluftsystem für die Beleuchtungstechnik im Deckenbereich sorgt für ausgeglichene Temperaturen.
Revisionierbare Vitrinen
Beim Wandeinbau der Vitrinen-Grundkonstruktion werden auch die elektrischen Leitungen verlegt. Eine bauliche Herausforderung war es, die Sicherungskästen und elektronischen Komponenten unsichtbar zu verstauen, aber jederzeit zugänglich zu halten. Das gelang über seitliche Wandhohlräume und verschiebbare Revisionstüren. Dabei wird die Dichtigkeit der Schiebetüren mit enormen Aufwand durch anfahrende Hubmagnete mit einer Hohlkammerdichtung geregelt.
High Tech- Vitrinenverglasung
Für die Verglasung der über 60 Vitrinen wurde Verbundsicherheitsglas aus 2 x 6 mm Anti-Reflexionsglas des Typs Eurowhite Luxar eingesetzt. Durch seine besonders geringe Restreflexion von unter 0,5 % und nahezu unverfälschte Farbwiedergabe ist es bei direkter Durchsicht fast unsichtbar.
Die riesigen Ganzglastüren der Einbauvitrinen sollten jedoch ohne sichbare Bänder auskommen – eine Herausforderung. Daher setzte Brüll + Gruber ausschließlich Klebeverbindungen ein. Tests wiesen die statische Eignung für die teilweise bis zu 250 kg schweren und über drei Meter hohen Gläser nach. Verklebt werden sie an patentierten Spezialtürbändern, die über eine einzigartige 3D-Einstellung mit bis zu 6 mm verfügen. Die Gewichte der Scheiben werden ausschließlich über die Klebeflächen der Türbänder gehalten. Die Verklebung auf dem Flachstahl ergibt einen optisch kaum wahrnehmbaren Rahmen. Flächenbündig mit der Betonkante der angrenzenden Wände montiert, entsteht so der Eindruck einer geschlossenen Einheit.
Die Großvitrinen verfügen über Ganzglastüren, die mit einem innen liegenden Siebdruck im Randbereich und einer Entspiegelung veredelt sind. Ihre Staubdichtheit wurde mit einem CO2-Messgerät überprüft und bestätigt. Die freistehende Museumsvitrine ist eine Sonderkonstruktion. Sie steht auf einem üppigen Schwarzstahlsockel.
Stahl- und Sockelplatten für Exponate
Die bis zu 2 mal 3 Meter großen Stahlplatten werden nach statischen Berechnungen an den Betonmauern des Gebäudes befestigt. In Position gebracht werden die schweren Platten mit Hubauf und Flaschenzug. Fertig montiert dienen die Schwarzstahl-Platten als Hintergrund und Befestigung für die Exponate. Die Oberflächen der Stahlplatten haben wir dunkel gefärbt und dauerhaft mit einem speziellen Wachs beschichtet und poliert. Unsere Montagebilder demonstrieren die Baustellensituation vor Eröffnung des Museums
Die frei stehenden Exponate ruhen auf Betonsockeln, die oben mit einer abschließenden Sockelplatte aus 25 mm Schwarzstahl versehen sind. Die Betonsockel selbst werden am Boden in eine stabilisierende Stahlvorrichtung eingelassen, die aus dem gleichen Material besteht. Alle Stahlflächen sind dunkel gefärbt (= Schwarzstahl) und mit einem speziellen Wachs beschichtet um dauerhaft Korrosion zu vermeiden. Alle Stahlplatten haben wir für die unterschiedlichen Sockelmaße individuell gefertigt.
Die Vitrinen und Sockel für Objekte ordnen sich der Architektur unter. So entsteht ein schlüssiges fast geheimnisvolles Ambiente. Wie gefordert belieben die technischen Einrichtungen unsichtbar. Ein Besuch im SMÄK ist so lohnenswert wie beeindruckend. Mehr Info auf der → SMÄK-Homepage.
Trotz der zurückhaltenden Beschriftung bleibt das Museum den Besuchern keine Information schuldig. In vieler Hinsicht ist das SMÄK Vorreiter in der digitalen Vermittlung. So helfen interaktive Medienstationen an zentralen Orten mit vertiefter Information. Besonders interessant, weil individualisierbar, sind „Medien-Guides“: Tablets mit Kopfhörer, die man an der Kasse erhält. Darin sind unterschiedliche Führungen gespeichert, die sich wählen lassen. . Gesprochener Text, Bilder und Kurzvideos führen dann durch die Säle der Ausstellung. ähnlich wie bei den Vitrinen, bleibt die ambitionierte Digitaltechnik im Hintergrund und stört das Ambiente nicht.
Apropos Ambiente: Jeden ersten Dienstag im Monat werden die Ausstellungssäle durch eine Klanginstallation angereichert. Der Komponist Mark Polscher hat exklusiv für das Ägyptische Museum eine permanente Klanginstallation mit 64 Kanälen geschaffen (Titel: „The Pomegranate Tree“). Das Werk für Elektronische Musik mit Stimmen erweckt die Säle und Hallen des Museums akustisch zum Leben
Während sich die Museumsvitrinen im SMÄK aus gestalterischen Gründen stets am rechten Winkel orientieren, beweist Brüll+Gruber, dass auch der Bau von komplexen prismatischen Museumsvitrinen kein Problem ist. Beispiel: Großvitrinen für das → Deutsche Historische Museum
Projekt-Info
Bauherr: Staatliches Museum Ägyptischer Kunst
Architektur + Konzept: Die Werft;
Architekt: Christian Raißle;
Fertigungskosten B+ G: ca. 1,3 Millionen Euro;
Bauzeit Herbst 2012 bis Frühjahr 2013.
Bildnachweise
Ausstellungsfotos:
© Staatliches Museum Ägyptischer Kunst München. Fotos Marianne Franke.
Baustellenfotos:
© Brüll+Gruber